Das Gänseblümchen und die große Liebe

Wer kennt es nicht, das Liebesorakel »Er liebt mich, er liebt mich nicht« und wer denkt dabei an das arme Gänseblümchen, das bei diesem Spiel auch noch stellvertretend herhalten muss für die Margerite und am Ende völlig zerrupft dasteht? Und wem soll es Glück bringen oder dieses prophezeien, wenn es selbst dabei qualvoll draufgeht? Das war’ s dann mit dem »Tausendschön«, entweder es wird malträtiert oder vom Rasenmäher skalpiert. Wer liebt hier wen?

Gretchenfrage
Das Liebesspiel »effeuiller la marguerite«, bei dem sich schon Gretchen in Goethe’s Faust anno 1808 bemühte, von einer Sternblume die Wahrheit zu erfragen, indem sie ihr eben diese Gretchenfrage stellte. Und doch sieht es so aus, als ob es nur zwei Möglichkeiten gäbe, statt einer Facette an Gefühlen: »Ja« oder »Nein«, schwarz oder weiß. Und was heißt überhaupt »Er« oder »Sie« …?

Nicht mehr zeitgemäß
Das Gänseblümchen stellt fest, das Spiel sei zudem aus der Zeit gefallen, diskriminierend, seit Menschen sich entschlossen hätten, viele verschiedene Geschlechtsidentitäten anzunehmen. Man beachte unbedingt die Liste nicht-binärer Identitäten, darunter z.B. spiegelgender: »Das Geschlecht ist abhängig von den Geschlechtern oder dem Auftreten der Menschen, mit denen es gerade zu tun hat, oder die einer_m wichtig sind.« oder pangender: »Alle Geschlechter zur gleichen Zeit.« 

Ein Single-Dasein
Zerzaust, vereinsamt … alleinsam! Der Beton und Folien rauben den Pflanzen ihren Lebensraum und lassen sie verkümmern. Wo sollen sie hin, sie können nicht fliegen. Traurig und verlassen suchen sie Gesellschaft, Schutz, Insekten … Doch die Realität ist dem abträglich. Fast kommt es dem Gänseblümchen vor, als wolle man ihm den Boden unter den Füßen wegziehen. Eine Zukunft als Mauerblümchen ist vorprogrammiert, eine Ehrung im Museum oder ein Leben nach dem Tod … gepresst im Poesiealbum.

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